Die allgemeinen Menschenrechte gelten selbstverständlich auch für Kinder. Allerdings
haben Kinder (und Jugendliche) spezielle Bedürfnisse, die durch die
Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen nicht explizit gedeckt sind. Um diese
Lücke zu schließen existieren Kinderrechte, zu deren Einhaltung fast alle Staaten der Erde
sich zwar verpflichtet haben, die in der Realität aber nur selten wirklich garantiert sind
– und das sogar in den reichen Ländern Europas. Beunruhigend ist auch, dass viele
Europäer mit den besonderen Rechten von Kindern nicht einmal vertraut sind.
Grundlage: Die UN-Kinderrechtskonvention
Die maßgebliche Grundlage für Kinderrechte weltweit ist die UN-Kinderrechtskonvention,
die 1989 durch die UN-Generalversammlung angenommen wurde und 1990 in Kraft trat.
Die Konvention umfasst insgesamt 54 Artikel, die von der UN-Kinderrechtsorganisation
UNICEF zu zehn Grundrechten zusammengefasst wurden: Darunter fallen etwa das Recht
auf Gleichbehandlung sowie der Schutz vor Diskriminierung in Hinblick auf Geschlecht,
Herkunft und Religion, das Recht auf eine Staatszugehörigkeit und nicht zuletzt auf einen
Namen, sowie eine Reihe von Rechten, die dem Kind angemessene Lebensbedingungen
garantieren sollen: Darunter beispielsweise die Rechte auf Gesundheit, auf Betreuung im
Falle einer Behinderung und auf Soforthilfe in Notlagen (wie Naturkatastrophen,
Missbrauch und Verfolgungen). Aber auch Bildung bzw. Ausbildung sowie Freizeit,
Erholung und Spiel sind Kinderrechte im Sinne der UN-Konvention. Dass die Rechte von
Kindern den allgemeinen Menschenrechten zwar ähneln, allerdings einigen zusätzliche
Bedürfnissen Rechnung tragen, zeigt sich ferner in ihren Rechten auf elterliche Fürsorge
bzw. Familie, auf ein sicheres Heim und eine Erziehung ohne Gewalt.
Mit zweierlei Maß?
Regierungen aus aller Welt haben sich demnach verpflichtet, die Kinderrechtskonvention
und ihre Bestimmungen anzuerkennen: Insgesamt 196 Staaten haben bis heute die
Konvention ratifiziert – das einzige UN-Mitglied, das sie ablehnte, waren und sind die USA.
Aber auch Deutschland, Österreich und die Schweiz akzeptierten die Konvention nur unter
Vorbehalten, die teilweise bis heute Geltung haben. So bestand Deutschland zunächst
darauf, dass das deutsche Ausländerrecht gegenüber den Bestimmungen der
Kinderrechtskonvention Vorrang habe. In der Praxis bedeutete das, dass Abschiebehaft
auch gegen Kinder und Jugendliche durchgesetzt werden konnte. Erst 2010 hat
Deutschland diese Vorbehaltserklärung zurückgenommen. Noch umfassendere
Vorbehalte kamen aus der Schweiz und gelten nach wie vor: So sieht die schweizerische
Gesetzgebung beispielsweise die Möglichkeit vor, einigen Kategorien von Ausländern
keinen Familiennachzug zu gestatten.
Gesetze und Wirklichkeit klaffen in Europa aber auch dort auseinander, wo die nationalen
Regierungen den Kinderrechten uneingeschränkt zugestimmt haben. So hat das Brüsseler
Europäische Netzwerk für Kinder bereits 2006 einen Bericht vorgelegt, der zahlreiche
Verletzungen von Kinderrechten in den Staaten der Europäischen Union dokumentiert:
Beispielsweise werden Kind in zunehmendem Maße Opfer von Gewalt und (sexueller) Ausbeutung. Besonders häufig und nicht selten systematisch werden zudem die Rechte
von asylsuchenden Kindern und Jugendlichen verletzt – ein Umstand, der sich infolge der
Flüchtlingskrise der letzten Jahre noch einmal deutlich verschärft hat: In Österreich etwa
durch die Asylnovelle 2016, die den Familiennachzug von geflüchteten Minderjährigen
ähnlich wie in der Schweiz einschränkt.
Information und Unterstützung
Diese und ähnliche Beobachtungen lassen den Schluss zu, dass in vielen europäischen
Staaten die speziellen Rechte von Kindern seit Jahrzehnten und nach wie vor mit zweierlei
Maß gemessen werden, und das von einer echten Chancengleichheit für Kinder – wie die
UN-Kinderrechtskonvention sie vorsieht, also unabhängig von Religion und Herkunft –
keine Rede sein kann. Hinzu kommt, dass vielen Bürgern Europas die besonderen Rechte
von Kindern und ihre Verbindlichkeit oft nicht einmal bekannt sind. Das garantierte Recht
auf die Mitsprache bei Entscheidungen, welche das Wohl des Kindes betreffen, wird selbst
innerhalb von Familien wenig beachtet und allein reisende minderjährige Flüchtlinge
stehen oft ganz ohne Unterstützung da. Gerade in solchen Fällen kommt gemeinnützigen
Hilfsorganisationen eine wichtige Rolle zu, die sich der Aufgabe verschrieben haben, die
Rechte von Kindern und Jugendlichen zu schützen bzw. bekannt zu machen. Zu den
bedeutendsten Organisationen dieser Art zählt die Kindernothilfe, die in zahlreichen
Ländern der Europäischen Union sowie in der Schweiz tätig ist.